Cassy Carrington: Video-Premiere & Interview

Kölner Kult-Drag-Queen trifft 90er-Jahre Euro-Pop-Legende: In ihrem gemeinsamen Song 'Bin Kummer gewohnt' besingen Cassy Carrington und Franca Morgano (Magic Affair – Omen III) die Probleme dieser Tage: Selbstzweifel, Populismus, Naturkatastrophen – und die Erkenntnis, dass wir das alles nur zusammen überwinden können.

'Bin Kummer gewohnt' ist eine dunkle Electro-Rock-Nummer von zwei ganz unterschiedlichen Typen: Cassys geerdete Stimme trifft auf Francas Röhre und macht den Song zu einer der ungewöhnlichsten Singles unter queeren deutschen Künstler*innen. Aufregend, neu, anders – und vor allem laut!

Geschrieben hat Cassy Carrington den Song mit dem Komponisten und Produzenten Stefan Rebelski, der zusammen mit Sebastian Treu den Track produziert hat. Das E-Gitarren-Solo kommt von Freddy Hau, der 2015 schon an Namikas Nummer 1-Hit 'Lieblingsmensch' beteiligt war. Jetzt wird es Zeit für einen neuen Ohrwurm!

Das aufwendige Musikvideo – das heute exklusiv auf bouygerhl.com Premiere feiert – ist ein wilder Alptraum-Trip, irgendwo zwischen 'Rocky Horror Picture Show' und 'Clockwork Orange'. Cassy und Franca sind die ungebetenen Gäste einer Art Beerdigungsgesellschaft, deren Anstand und Sitte im Laufe des Clips immer mehr aus den Fugen geraten. Für die Umsetzung waren Regisseur Joseph Vicaire und Kamerafrau Conny Beißler verantwortlich.

Bouys & Gerhls – viel Spaß!

Wir halten aus, wir halten durch

Anlässlich der Video-Premiere auf bouygerhl.com, hat Cassy Carrington mir ein paar Interviewfragen beantwortet:

Bouygerhl: Die allerwichtigste Frage zuerst. Carrington ... Fallon, Krystle oder Alexis?

Cassy Carrington: Es kann nur eine geben – Alexis natürlich!

BG: Für alle, die Dich und Deine Musik noch nicht kennen: Was ist die eine Sache, die man über Dich wissen sollte?

CC: Ich bin in keinem Aspekt meines Tuns perfekt, dafür aber in sehr vielen gut!

BG: Deine neue Single 'Bin Kummer gewohnt' hast Du mit der 90er-Jahre Europop-Legende Franca Morgano von Magic Affair aufgenommen. Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Zusammenarbeit?

CC: Als 'Bin Kummer gewohnt' in der Grundproduktion abgeschlossen war, schlug ich meinem Produzenten Stefan Rebelski vor, dass man doch idealerweise daraus ein Duett machen sollte. Erst kam ich einfach nicht auf die Idee, wer die zweite Stimme liefern könnte. Ich wusste nur, es braucht eine kräftige weibliche Stimme, die meine eher geerdete Stimmfarbe ergänzt und Power reinbringt. Ich habe mit Freunden geredet, ob sie eine Idee hätten – mein guter Freund DJ Grdn (bang! Oberhausen) schlug dann Franca vor. Die Idee war so naheliegend, dass ich einfach selbst nicht drauf kam. Zufälligerweise kennt mein Produzent Franca auch sehr gut und somit konnten wir beide sie schnell von der Idee begeistern. Sie ist einfach – in jeder Hinsicht – der perfekte Gegenpol für diesen wilden Song.

BG: Der Song bewegt sich ganz klar weg von Deinen sonst eher ruhigeren Kleinkunst-Liedern. Die Beats im Intro erinnern fast schon an DAF, das harte Gitarrensolo am Ende an Slash. Ist das ein einmaliger Ausflug oder Dein neuer Weg?

CC: Insgesamt bewege ich mich mit meinen neuen Solo-Songs auf neuem Terrain. Ich habe Schubladen immer abgelehnt und auch musikalisch wollte ich das jetzt umsetzen. Ich mache das, was für die Aussage des Songs selbst am besten ist und was er braucht – egal ob Pop, Chanson, Rock oder Elektro. Und genauso unterschiedlich werden auch die kommenden Titel sein.

Ich habe Schubladen immer abgelehnt und auch musikalisch wollte ich das jetzt umsetzen.

BG: Inhaltlich ist der Song ein Rundumschlag durch die aktuellen gesellschaftlichen Missstände. Mit den Zeilen "Wir halten aus, wir halten durch" macht ihr Euch dabei selber Mut. Welches der besungenen Themen nervt Dich momentan am meisten?

CC: Ehrlich gesagt bin ich fast erschrocken darüber, wie sehr einige Textzeilen zur ganz aktuellen Lage auf der Welt passen, das war natürlich so gezielt nicht geplant. Am besorgniserregendsten finde ich mit Sicherheit die umweltpolitische Situation, da sie langfristig dem Planeten – und somit auch uns – am meisten Schaden zufügen wird. Aber alle anderen angesprochenen Themen, auch die persönlichen, sind nicht weniger beachtenswert.

BG: Du bist – wie ich – ein Kind der 90er. Was ist für Dich – aus queerer Sicht – die schönste Erinnerung an diese 'gute alte Zeit'.

CC: Die 90er vermittelten kurz das Gefühl, dass wir aus queerer Sicht auf dem richtigen Weg sind. Vieles brach auf, vieles war auf einmal möglich. Ende der 90er erlebte ich meinen ersten CSD in Köln, ich entdeckte inspirierende Künstler und queere Lebensrealitäten. Das war eine Offenbarung.

BG: Der Größenunterschied von Dir und Franca bringt mich immer wieder zum Schmunzeln. Gibt es dazu eine witzige Anekdote? Knutschen war vermutlich schwierig?

CC: Darauf sprechen mich sehr viele an. Wir haben gezielt im Video nicht versucht, das zu verdecken. Ich bin einfach riesig groß, Franca sehr klein und das ist auch unsere Art von Vielfalt, die es zu feiern gilt. Bei einer meiner letzten Singles spielte im Video Cedric Beidinger (Big Brother Gewinner 2020) meinen Liebhaber. Er ist auch viel kleiner als ich und es gab zig Kommentare dazu (auch von queeren Personen), dass das ja wohl nicht geht und warum ich mir denn keinen größeren Liebhaber für den Clip gesucht hätte. Das hat mich sehr verärgert, denn ich dachte, diese Diskussion über optische Klischees hätten wir längst überwunden. Daher bin ich jetzt in diesen Fragen kompromisslos.

Zum Schluss unsere fünf BOUYGERHL-Quickies:

Die Musik welcher Künstler*in beeindruckt Dich ganz aktuell?
Foxes, Drangsal und Harry Styles

Celebrity Crush?
Harry Styles

Guilty Pleasure?
Stock, Aitken & Waterman

Dein Lieblingssong aus den 90ern?
Kylie Minogue – Confide in me (6 Minuten Perfektion)

Dein perfekter Sonntag?
Spät Aufwachen im T-Shirt deines Lovers und abends Filmabend und Pizza mit dem BFF.

  • Interview Zacker
  • Fotos Fabian Stürtz, Martin Häusler