For Today I Am a Bouy: Drehmoment mit Zacker

Marcus Witte für © Siegessäule

Das Berliner Siegessäule-Magazin hat mich gebeten, für ihre Rubrik 'Drehmoment' über mein Lieblingsalbum zu schreiben. Das mache ich doch sehr gern! Den original Artikel findet Ihr in der neuen Print-Ausgabe der Siegessäule sowie als digitale Ausgabe auf www.siegessaeule.de

Drehmoment mit Zacker / erschienen in Siegessäule 2-2022

Atmen. Ein kurzer Stich in der Brust, Härchen stellen sich auf, die Augen geschlossen. Sanftes Piano – und dann diese Stimme. Fühlt sich so Vollkommenheit an? Für mich zumindest. Seit über zwanzig Jahren gebe ich auf die Frage nach meiner 'Lieblingsmusik' immer dieselbe Antwort: Anohni / Antony and the Johnsons. Kaum eine andere Musikerin hat es geschafft, mich so lang anhaltend und uneingeschränkt zu begeistern, kaum eine andere Musik trifft mich so tief im Innersten.

2001: Ich, ein junger, melancholischer Gothic-Bouy. Antony and the Johnsons veröffentlichen die Single 'I Fell In Love With A Dead Boy' auf dem Durtro-Label von Current 93. Ein Song wie ein Messerstich – schmerzvoll, herzzerreißend, tränenselig. Das dazugehörige Debütalbum sowie ein Bootleg des ersten Europakonzerts waren ab diesem Moment meine Luft zum Atmen. Schwierig zu sagen, warum die Musik mich so in den Bann zog, aber diese Mischung aus zutiefst pathetischen Arrangements, fragilen Piano-Harmonien und Anohnis einzigartiger Stimme traf einfach meinen Kern – und den Puls dahinter.

Kaum eine andere Musikerin hat es geschafft, mich so lang anhaltend und uneingeschränkt zu begeistern, kaum eine andere Musik trifft mich so tief im Innersten.

Das Album 'Antony and the Johnsons' erschien 2000 ebenfalls auf Durtro und wurde 2004 auf Secretly Canadian neu veröffentlicht. Für mich ist es eine perfekte Sammlung queerer Torch Songs – voller dramatischer Crescendo-Momente, Herzschmerz und touchanter Geschichten wie im Song 'River of Sorrow', der der Band-Namensgeberin Marsha P. Johnson ein musikalisches Denkmal setzt. 2004 folgte mein erstes Livekonzert in Bonn, vor nur einer Handvoll Gästen. 2005 dann das selbst organisierte Konzert in meiner Heimatstadt Leipzig. Großartige Erinnerungen, die niemals verblassen. Ungebrochene Leidenschaft – bis heute.

Und so verwundert es vermutlich auch nicht, dass der Name meines Archivs und Podcasts eine Hommage an Anohni darstellt: Bouygerhl ist eine lautmalerische Verschmelzung der Songtitel 'For Today I Am A Bouy' und 'Bird Gerhl' vom wegweisenden Album 'I Am A Bird Now' (2005). Die Songs handeln von Identität und vom Hinterfragen, vollendet in einer Mut machenden Botschaft voller Selbstbewusstsein, Zuversicht und Kraft. Bouygerhl als Referenz auf diese beiden Songs ist eine Fusion all dieser Gedanken, die Essenz einer Realität, ein Statement!

Mehr Hintergründe zum Thema Anohni und Bouygerhl findet Ihr in meinem allerersten Blogbeitrag.

  • Text Zacker
  • Erschienen in Siegessäule Berlin