Hört einander zu und seid offen: Interview mit Keye Katcher

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Keye Katcher ist ein Künstler, der vor allem für eines steht: Vielseitigkeit mit Statement! Seit Jahren rockt er die queeren Bühnen des Landes und hat sich durch seine erfolgreiche Teilnahme bei 'The Voice of Germany' einen Namen gemacht. Hier wurde er von der Jury als „einer der besten Sänger Deutschlands“ gefeiert. Seine tiefe, soulige Stimme weiß zu begeistern: Kraftvoll und energiegeladen geht sie sofort ins Ohr und vereint Power, Sensibilität und Lebensfreude.

Bei Keye Katcher dreht sich alles um Dualität: Es gibt keine Männlichkeit ohne Weiblichkeit, keine Liebe ohne Schmerz, keine Entwicklung ohne Mut. Der Berliner Sänger bewegt sich gern in verschiedenen Sphären, denn hier kann er sich seine eigene Welt bunt und divers gestalten – eine Welt, in der er sich durch einzigartige Looks immer wieder neu erfindet.

Keyes neue Single 'It’s Gonna be Good' ist die perfekte Pride-Hymne in Pandemie-Zeiten. In seinem funky Happy-Mood-Sommerhit ruft er auf, sich gegenseitig zu unterstützen, in guten wie vor allem auch in „bad times - Wir sind Mensch und stehen für uns ein“. Ein lebendiger Song für eine Zeit, in der wir alle viel positive Energie dringend brauchen.

Inhaltlich beschäftigt sich 'It's Gonna be Good' auch mit den Stimmen, die in der Gesellschaft aktuell laut und lauter werden. „Egal wie schlimm es ist, es wird nur schlimmer, wenn wir uns nicht zuhören“, meint Keye. Sich wohlwollend begegnen, Liebe und Zuversicht – das sei der Schlüssel, um das alles gemeinsam durchzustehen.

Ich möchte etwas in den Köpfen bewegen

Bouygerhl: Deine neue Single 'It’s Gonna be Good' kommt ausgesprochen energiegeladen daher und reißt einen geradezu aus dem Pandemie-Blues. Wie hast Du die letzten Corona-Monate privat und als Musiker erlebt?

Keye Katcher: Ich brauchte in der tristen Coronazeit positive und beschwingte Musik, die mich zum Tanzen bringt. Das letzte Jahr war für mich größtenteils überschattet von Traurigkeit und auch Antriebslosigkeit. Meine neuen Songs haben mich wieder auf die positive Bahn gelenkt. Nachts nach dem Studio mit Kopfhörern zu diesen neuen Songs zu tanzen, war befreiend und ich hoffe, dass sich das auch auf andere überträgt. Ich habe die Zeit also kreativ genutzt, neue Wege mit tanzbarer, deutschsprachiger Musik zu gehen. Darüber hinaus bin ich zu Beginn der Pandemie aufs Land zu meiner Mama 'ausgewandert', da ich nicht ständig unterwegs war und auf dem Land alles halbwegs 'normal' war und ist. Die Zeit mit meiner Familie zu verbringen, neue Dinge im handwerklichen Bereich zu lernen (ich kann jetzt Wände verputzen) und generell mit anzupacken, war Balsam für die Seele.

BG: Der Song transportiert eine super positive, optimistische Message – fast wie eine Befreiung. Was war Dir wichtig zu sagen?

KK: Vor allem in Krisenzeiten scheinen Menschen sich immer weiter voneinander zu entfernen. Wir Menschen können so viel bewegen, wenn wir uns gegenseitig zuhören und zusammenhalten. Wir können voneinander lernen und alles durchstehen, wenn wir nicht vergessen, dass wir alle Menschen sind. Es war mir wichtig, in dieser Zeit und – und vor allem in meiner Muttersprache – über Themen zu singen, die über das gute alte 'Liebeslied' hinausgehen. Ich möchte mehr denn je etwas in den Köpfen bewegen – ob nun durch meine Erscheinung oder eben wichtige und positive Statements meiner Songs.

BG: Warum die Veröffentlichung so explizit in zwei Sprachversionen?

KK: Vor allem bei 'It's Gonna Be Good' war es mir wichtig, viele Menschen nicht nur zum Mittanzen, sondern auch zum Mitsingen zu motivieren. Die Message des Songs ist ein globales Thema und eine rein englische Version universal verständlich. Ich zeige auch gern möglichst viele Facetten von mir, weshalb sich das für diesen Song gut angeboten hat.

Wenn ich meine Weiblichkeit stolz nach außen trage, werde ich gefragt, ob ich mich denn nicht 'schämen' würde. Das ist so überholt und ärgert mich immer wieder.

BG: Wie wichtig ist es Dir, in Deiner Musik neben Feel-Good-Vibes auch gesellschaftskritische Themen anzusprechen – wie beispielsweise bei 'Meine Mama'?

KK: „Ich scheiß' aufs ausgelutschte Liebeslied, weil es Lieder für Mamas halt einfach zu wenig gib.“ ist eine Textzeile aus 'Meine Mama'. Meine Mama, meine Oma und Frauen überhaupt sind meine großen Heldinnen, Inspirationen und mein Support. Frauen werden nach wie vor als das 'schwächere' Geschlecht angesehen. Wenn ich meine Weiblichkeit stolz nach außen trage, werde ich gefragt, ob ich mich denn nicht 'schämen' würde. Das ist so überholt und ärgert mich immer wieder. Vor allem bei meiner ersten deutschsprachigen Single war es mir wichtig, über genau diese Thematik zu sprechen und nicht nur einen 'Mama, ich liebe Dich'-Song rauszuhauen.

BG: Du sagst "Egal, wie schlimm es ist, es wird nur schlimmer, wenn wir uns nicht zuhören". Oft habe ich das Gefühl, dass das noch nicht einmal innerhalb der queeren Szene funktioniert? Wo fangen wir hier also an?

KK: Wir sollten alle bei uns selbst anfangen. Ich habe als schwuler Heranwachsender eine Mauer um mich gebaut, um nicht angreifbar gegenüber anderen Meinungen zu sein. Ich kenne das Gefühl, ausgeschlossen zu werden, weil ich anders bin – musste dann aber auch lernen, diese Mauer nicht immer höher zu bauen und meine (schwule) Identität nicht als Nonplusultra anzusehen. Vor allem in der queeren Szene, die so wunderbar facettenreich ist, in all ihren Formen und auch Altersgruppen. Gerade wir queeren Menschen sind in der Lage, durch unsere Erfahrungen einen Raum zu schaffen, der von allen genutzt werden kann. Ein Raum, in dem wir uns zuhören und gleichermaßen respektieren. Ein Raum, der nicht exklusiv, sondern inklusiv ist. Wir sollten uns immer vor Augen führen und uns daran erinnern, dass ein Ausschließen für niemanden angenehm ist. „Wir alle eins.“

BG: Bei Keye Katcher denkt man unweigerlich auch immer an eine flamboyant-extravagante Optik. Welchen Stellenwert haben Make-up, Performance und die ganze visuelle Inszenierung in Deiner Musik?

KK: There's no business like show business. Ich liebe es, mich immer wieder neu zu erfinden und ein 'Eye Catcher' zu sein. Mit Anfang 20 war das meine 'Meditation': Vorm Ausgehen mit guter Musik vorm Spiegel zu stehen und mich so zu gestalten, wie es mir gefällt. Anfangs waren das überdimensionale Wimpern über und unter dem Auge. Mittlerweile habe ich nicht mehr so viel im Gesicht zu kleben, bin aber nach wie vor ein großer Freund von Outfits, die 'auf die Bühne gehören'. Ich langweile mich schnell vor mir selbst und möchte andere dazu inspirieren, sich selbst so auszuleben, wie sie es möchten. Ich bin von Künstlern inspiriert, die sich immer wieder selbst neu erfinden und bei denen es spannend ist, zuzusehen. Das sind jedoch auch Künstler, die mich vor allem durch stimmliches und musikalisches Talent beeindrucken und zusätzlich auch visuell und kreativ beeindrucken. Ich würde mich lieber in Jeans und T-Shirt auf die Bühne stellen, als heiser zu singen. Der Fokus liegt immer auf der Musik. Diese Musik beispielsweise in Musikvideos mit spannenden Looks zu kombinieren, macht mir tierisch Spaß und ist für mein kreatives Schaffen sehr wichtig.

BG: Dualität spielt für Dich eine große Rolle. Dein Credo: "Es gibt keine Männlichkeit ohne Weiblichkeit, keine Liebe ohne Schmerz, keine Entwicklung ohne Mut." möchte man auf alle Wände sprühen. Magst Du das kurz näher erläutern?

KK: Das kurz zu erläutern fällt schwer, da Dualität in allen Lebensbereichen zu finden ist. Schwarz-Weiß-Denken oder Schubladendenken sind überholt. Es gibt zwischen Schwarz und Weiß noch unendlich viele Grautöne, die sich alle bedingen und ineinander greifen. Und dazu gibt es noch unzählige andere Farben, Stimmen und Erfahrungen. All diese Nuancen gilt es für mich zu beleuchten, zu verstehen und nach außen zu tragen. Ohne das eine, gäbe es das andere nicht. Wir tun es uns oft leicht, Sachen und Menschen abzustempeln. Doch Menschen und Erfahrungen kann man nicht abstempeln, da sie alle individuell sind. Wo wir wieder beim Thema sind: Hört einander zu und seid offen!

BG: Im knallbunten Video zu 'It’s Gonna be Good' sieht man Dich mit Profitänzer Robert Beitsch – wartet da etwa schon 'Let's Dance' um die Ecke? Wäre das etwas für Dich?

KK: Ich bin für jede Herausforderung zu haben, an der ich wachsen kann. 'Let's Dance' würde ich definitiv machen – mit Robert an meiner Seite sowieso!

BG: Apropos TV-Show. Du warst zweimal Kandidat bei 'The Voice of Germany'. Erlaubt einem dieses Format eine authentisch queere Selbstdarstellung – oder wird von der Redaktion versucht, ein Image zu kreieren, dass Erwartungen erfüllt? Gab es diesbezüglich einen Unterschied von der letzten Staffel zu Deiner Teilnahme vor 9 Jahren?

KK: Machen wir uns nichts vor: Es ist ein TV-Format und im TV bekommt man bestimmte 'Rollen' zugeteilt, bzw. werden die spannendsten Geschichten und Identitäten der Talents hervorgehoben. Das geschieht bei 'The Voice of Germany' jedoch auf sehr faire und gutmütige Art und Weise. In meinem Fall hatte ich mein Image bereits sehr gut selbst kreiert. Beide Erfahrungen waren sehr positiv dahingehend, dass es in den Interviews um 'tiefere' Themen ging als 'ein bunter Vogel ist da.' Mir wurde die Möglichkeit gegeben, sichtbar zu sein und über meine persönlichen Erfahrungen zu sprechen. Ich bin mir sicher, dass ich dadurch nicht nur in queeren Köpfen etwas bewegen konnte. Der einzige Unterschied zwischen der Erfahrung damals als 'Baby', welches unbedingt Sänger werden wollte und der als Berufssänger im letzten Jahr war diese: Ich war im letzten Jahr sehr verkopft und habe nicht aus meinem Herzen gesungen. Aber daraus habe ich gelernt und wieder zu mir selbst gefunden. Aber auch das ist ein stetiger Prozess.

Bei 'The Voice of Germany' wurde mir die Möglichkeit gegeben, sichtbar zu sein. Ich bin mir sicher, dass ich dadurch nicht nur in queeren Köpfen etwas bewegen konnte.

BG: Eine persönliche Sache: Du warst der Liveact beim allerersten BOUYGERHL-Showcase ever. Damit hast Du für immer einen ganz besonderen Platz in meiner Brust. Hattest Du einen schönen Abend?

KK: Lieber Zacker, das kann ich nur zurückgeben. Erst einmal vielen Dank, dass ich die Möglichkeit dazu hatte! Man muss sich als Independent-Artist mit vielen verschiedenen Sachen beschäftigen, die oftmals nicht 'spaßig' sind. Das Showcase hat mir aber wieder gezeigt, dass die Bühne das ist, wofür ich all das mache. Ein großes Stück 'Normalität' wieder zu erleben, war wunderbar. Auch den weiteren Verlauf des Abends mit tollen Menschen wie Dir verbringen zu dürfen, macht mich sehr happy und dankbar!

Zum Schluss unsere fünf BOUYGERHL-Quickies:

Deine erste selbst gekaufte Platte?
Christina Aguilera – die Single 'Lady Marmelade' das Album 'Stripped'

Celebrity Crush?
Toni Mahfud – wunderschön und wunderbar talentiert

Guilty Pleasure?
The Real Housewives of Beverly Hills – ich bin zu 'addicted' aktuell.

Mit wem würdest Du gern ein Duett aufnehmen?
Christina Aguilera auf englisch und Miss Platnum auf deutsch

Dein perfekter Sonntag?
Aktuell bei Mama und Oma auf dem Land, zusammen mit Freunden, den Hunden und Musik im Garten grillen

  • Interview Zacker
  • Fotos Tom Kunicke