Leben und leben lassen: Songpoetin Luna im Interview

Luna ist 18 Jahre alt, Luna ist ein Phänomen, Luna hat mich sofort begeistert. Eigener Style, fantastische Stimme und selbst geschriebene Songs – da ist ganz viel Authentizität, da ist ganz viel Gänsehaut. Quasi über Nacht wird sie mit einem wackeligen TikTok-Video zur Sensation. Der darin performte Song 'Verlierer' verschafft ihr Millionen Klicks und Follower und ist der verdiente Durchbruch für die Musikerin aus Niederbayern. Coole Laid-Back-Pop-Vibes treffen auf Piano-Ballade treffen auf diese crispy Stimme – daran kommt man nicht vorbei!

Die Singer-Songwriterin ist für ihre Generation ein echtes Vorbild: Luna ist lesbisch und möchte auf LGBTQ-Themen aufmerksam machen. Mit Ihrer neue Single 'Blau' präsentiert sie eine kraftvolle Hymne über das eigene Coming-Out – ein universelles Statement über den Mut, zu sich und der eigenen Identität zu stehen. In diesem Sinne: "Lass dich nicht verbiegen, lass die Leute labern, hab's gemacht, leb in Frieden!“.

Leben und leben lassen

Bouygerhl: Ich möchte das Interview nicht mit einer Frage beginnen, sondern mit einem dreifachen: Wow! Wow! Wow! Gratulation zu Deinem beeindruckenden Erfolg – wortwörtlich über Nacht. Musst Du Dich manchmal nicht selbst kneifen?

Luna: Ja – auf jeden Fall! Im Corona-Lockdown einen Song zu schreiben und von zu Hause aus, einem kleinen Dorf, online mitzuverfolgen, wie rasant die Leute auf ‘Luna‘ aufmerksam werden, wirkte surreal. Ich habe sehr lange gebraucht zu realisieren, was die letzten Monate passiert ist.

BG: Wenn ich Deine Songs höre, bekomme ich sofort Gänsehaut. Deine durchdringende Stimme, das sentimentale Piano – das ist sehr intensiv. Woher kommt all der Schmerz?

Luna: Die Musik ist für mich wie eine Art Ventil, welches es mir ermöglicht, die Gefühle und Botschaften in meine Songs zu packen, die ich mich lange nicht getraut habe, laut auszusprechen. Dabei inspiriert mich das Leben: Bekanntschaften, Eindrücke, Gefühle, Orte etc. Ich habe oft das Gefühl, dass Menschen versuchen, ihre Schwächen zu unterdrücken und nicht zu zeigen – was aber, wenn man genau diese offen anspricht?

BG: Du bist offen lesbisch – oder wie Du es lieber formulierst 'gay'. Unter queeren Musiker*innen gibt es aktuell die Diskussion, ob es überhaupt wichtig ist, sich zu labeln. Welche Rolle spielt Deine sexuelle Identität für Deine Arbeit?

Luna: Ich bin der Meinung, dass jeder das Recht haben sollte, selbstbestimmt leben zu können – unabhängig von Sexualität, Herkunft, Hautfarbe, Glaube etc. Ich finde es daher sehr schade, dass die Gesellschaft oft voraussetzt, sich zu labeln. Mein Motto: Leben und leben lassen.

Auch wenn es sich für manche von Euch vielleicht noch nicht so anfühlt: Ihr seid perfekt, so wie Ihr seid und Ihr seid nicht allein.

BG: Dein neuer Song 'Blau' ist eine selbstbewusste und ermutigende Aufforderung, zu sich selbst zu stehen. Du singst von einer Mutter, die rät: "Kind, lass Dich nicht verbiegen!". Wie war denn die Reaktion Deiner Familie auf Dein Coming-Out?

Luna: Meine Familie hat super reagiert. Natürlich gab es am Anfang Berührungsängste mit diesem Thema, welche aber schnell aus der Welt geschaffen wurden, weil ich offen darüber gesprochen habe. Daher ist es für mich umso wichtiger, auch in sozialen Netzwerken kein Geheimnis daraus zu machen, da offene Kommunikation der Schlüssel zu mehr Toleranz ist.

BG: Was möchtest Du jungen Queers sagen, die mit dem Thema strugglen und eventuell nicht so viel Support haben?

Luna: Fühlt Euch von niemandem unter Druck gesetzt. Outet Euch dann, wenn Ihr bereit dazu seid. Oder outet Euch gar nicht, wenn Ihr euch nicht danach fühlt. Ihr bestimmt, wie ihr damit umgeht. Auch wenn es sich für manche von Euch vielleicht noch nicht so anfühlt: Ihr seid perfekt, so wie Ihr seid und Ihr seid nicht allein. Und glaubt mir, wenn ich sage, dass auch Ihr euch eines Tages dafür lieben werdet, wer Ihr seid.

BG: Nach Deinem Abi ziehst Du von Niederbayern ins große, wilde Berlin. Wird das ein innerliches Aufatmen, eine Befreiung? Oder vermisst Du schon jetzt die Idylle und Ruhe der Kleinstadt?

Luna: Auf jeden Fall bin ich superglücklich, bald in die Großstadt ziehen zu können. In Berlin habe ich ein Freiheitsgefühl wie sonst nirgends. Jeder kann dort so sein, wie er will und sich frei entfalten. Ich habe dort die Möglichkeit meiner Musik nachzugehen - das gestaltete sich in Niederbayern eher schwieriger, da mein Team größtenteils in Berlin wohnt. Allerdings bin ich schon ein naturverbundener Mensch und werde eine Reise in die Heimat oder einen Ausflug in die Berliner Umgebung sicherlich genießen und als Ausgleich nutzen.

BG: Als Newcomerin im Musikbusiness: Was waren die größten Schwierigkeiten – kreativ oder geschäftlich – mit denen Du bisher konfrontiert warst?

Luna: Die größte Schwierigkeit in den letzten Monaten war das ständige mentale Hin- und Herwechseln zwischen Schule bzw. Abitur und Musik und Warten zu müssen, das zu 100 % machen zu können, was man liebt – nämlich Musik. Aber auch andere kleine Hürden, die man allerdings mit den richtigen Leuten an seiner Seite gut meistern kann.

BG: Du hast in kürzester Zeit sehr viel erreicht. Was sind musikalisch Deine nächsten Ziele?

Luna: Diesen Sommer supporte ich Lea auf ihren Open-Air-Shows. Nächstes Jahr steht dann die eigene Headliner-Tour an. Auch im Bereich Merch will ich die ersten Schritte gehen. Und schließlich auch an neuen Songs arbeiten, denn von der Musik lebt letztlich alles. Ich freue mich darauf, neue Erfahrungen zu machen und daran zu wachsen.

BG: Alle können es kaum erwarten, wieder Konzerte genießen zu dürfen. 2022 gehst Du auf Tour – auf was können wir uns freuen?

Luna: Auf neue Songs und eine komplett neue Bühnenshow mit Band. Bisher kennt man mich ja nur allein am Klavier.

Zum Schluss unsere fünf BOUYGERHL-Quickies:

Die Musik welcher Künstler*in beeindruckt Dich ganz aktuell?
Zoe Wees

Celebrity Crush?
Shannon Beveridge

Guilty Pleasure?
Ich mache zuerst die Milch und dann die Cornflakes in die Schüssel.

Wie sieht Dein perfekter Sonntag aus?
Entspannt mit dem Motorrad ne Runde drehen und dann abends mit Freunden treffen.

Clubnacht oder Grillabend
Grillen und danach in den Club.

  • Interview Zacker
  • Fotos Calvin Müller