Musik gegen den Schmerz: Fee van Deelen veröffentlicht Debütalbum

Fee van Deelen ist schon jetzt meine musikalische Entdeckung des Jahres. Es brauchte nur wenige Sekunden und ich hatte Gänsehaut – kurz darauf kamen die Tränen. Es ist diese sanft-warme Stimme, die mich einfach umhaut - und der fragile Indie/Elektro-Sound, irgendwo zwischen The XX und Beach House.

Heute erscheint mit 'fee(ls) 21/22' das Debütalbum der Hamburgerin. Darauf dokumentiert die 25-jährige Musikerin ihre Gefühle und Gedanken rund um ihr gebrochenes Herz in den Jahren 2021 und 2022. Die Songs behandeln das Verliebtsein und all die schönen Gefühle, die damit einhergehen – verarbeiten aber auch Trauer, Wut und Unverständnis.

Anlässlich der Veröffentlichung des Albums hat uns Fee ein paar Fragen beantwortet.

Interview mit Fee van Deelen

Bouygerhl: Dein Debütalbum 'fee(ls) 21/22' lag schon eine ganze Weile fertig in der kreativen Schublade. Wieso mussten wir so lange auf etwas so (so so) Schönes warten?

Fee van Deelen: Das stimmt – die Songs lagen ganz lange unberührt auf der Festplatte. Ursprünglich hatte ich tatsächlich gar nicht geplant, ein Album zu machen. Jeder Song entstand erstmal für sich und so sammelten sich die Herzschmerztexte und -lieder an. Ich dachte immer mal wieder darüber nach, sie zu veröffentlichen, aber ich tat mich damit total schwer, weil ich so lange noch in der Gefühlswelt steckte, aus der auch die Songs kamen. Ich hatte nach der ganzen Zeit irgendwann keine große Lust mehr, mich immer und immer wieder mit meinen Gefühlen zu konfrontieren und 'alte Wunden' aufzureißen. Ich wollte die Gefühle auch irgendwann loslassen können. Und die Zeit brauchte es dann. Jetzt kann ich die Songs wieder mit leichterem Herzen hören und mir gefallen sie wieder besser, weil ich sie mit Abstand betrachten kann. Und so sind sie jetzt thematisch und zeitlich als Projekt 'fee(ls) 21/22' zusammengefasst – fast so, als wäre dieses Kapitel nun abgeschlossen.

BG: Die Songs sind allesamt höchst persönlich. Da gibt es unheimlich viel Schmerz und ehrlich offene Wahrheiten. Hat es Dich viel Mut – oder gar Überwindung – gekostet, diese Geschichten zu teilen?

FvD: Während ich die Songs schrieb, habe ich mir keine Gedanken darum gemacht, wie persönlich die Texte sein könnten. Da kam einfach raus, was wohl rausmusste. Generell schreibe ich eigentlich nur Texte, die auch ganz von innen kommen. Klar ist das auch sehr persönlich – aber auf der anderen Seite gibt es bestimmt ganz viele Menschen, die Herzschmerz ähnlich fühlen oder schonmal gefühlt haben und dann ist es vielleicht auch einfach eine Gefühlszusammenfassung, die nicht nur für mich gelten muss? Ich finde es jedenfalls ganz schön, meine Gefühlswelt zu teilen. Ich mag auch Verletzlichkeit zeigen und verletzlich sein. Daher würde ich sagen: Nein, Überwindung hat es mich nicht gekostet.

BG: Du sagst, Musikmachen hat Dir geholfen zu heilen. Wie muss ich mir diesen Prozess vorstellen: Dunkles Zimmer, Tränen, Rotwein – oder doch eher hell erleuchtetes Arbeitszimmer, Kaffee und nüchternere Musik-Software?

FvD: Das ist eine schöne Frage und da musste ich jetzt erstmal schmunzeln, wie Du das Bild malst. Tatsächlich wohl eher letzteres. Auch wenn das jetzt sehr unromantisch klingt. Wenn ich produziere, sitze ich an meinem Schreibtisch. Auf dem von mir aus linken Monitor (also Lautsprecher) liegen meine Uniunterlagen, rechts von mir steht ein Kaffee, der meist viel zu schnell kalt wird und dann sitze ich auf meinem quietschenden Holzdrehstuhl und verbringe endlos viele Stunden damit alles Mögliche auszuprobieren. Dabei kommt dann Musik heraus. Manchmal saugt mich das Gefühl auch total ein und ich kann das, was ich da geschrieben habe, wieder neu nachvollziehen. Das ist im Übrigen auch ein Grund, warum der Release so lange gedauert hat. Wenn ich mich ein weiteres Mal an die Songs setze, dann fühle ich die schon auch immer wieder aufs Neue. Zugegeben ein etwas unromantisches Bild, oder? Ich glaube heilen geholfen hat es mir vor allem, mich mit mir und meinen Gefühlen auseinanderzusetzen. Ich hatte das Gefühl, mich selbst ordnen zu können, wenn Herz und Kopf so gar nicht zusammenspielen. Lieder zu schreiben und Musik zu machen, die meine Gefühle festhält, ist wie Zeit für mich nehmen. Ich setze mich aktiv hin und kann denken und fühlen. Mir diesen Raum zu geben fürs Fühlen, hat beim Heilen geholfen.

BG: Jetzt sprechen wir die ganze Zeit von Schmerz und Tränen: Was bringt Dich so denn aber mal so richtig zum Lachen?

FvD: So richtig zum Lachen bringen mich meine Menschen, die Serie 'the Office' und 'Brooklyn 99' und das ein Video einer kleinen Ziege, die auf ein Schaf klettert/springt und dann immer und immer wieder herunterspringt, weil es der Ziege scheinbar Spaß macht. Das Schaf sieht währenddessen extrem unbeeindruckt aus. Das Video kann ich sehr empfehlen.

BG: Einer meiner absoluten Favourites ist 'Back Then' – der ist nicht auf dem Album; ist aber Dein erster veröffentlichter Song. Nimm uns doch mal mit auf diese Reise: Wie hat es für Dich damals alles angefangen und wie kam es zur Entscheidung Deine Musik mit der Welt zu teilen?

FvD: 'Back Then' war mein erster so 'richtig' produzierter Song und ist tatsächlich auch nach wie vor einer meiner liebsten. Die EP auf der auch 'Back Then' drauf ist, ist – wie könnte es anders sein – auch herzschmerzgeprägt. In der Zeit war ich noch in meiner Ausbildung zur Mediengestalterin in Bild und Ton. Durch Corona befanden wir uns im Lockdown, sodass ich ganz viel Zeit mit mir selbst verbringen konnte und eben auch mit meinem zu der Zeit gebrochenen Herzen. Ich schrieb und produzierte da zum ersten Mal meine eigenen Songs und dachte "ja wieso eigentlich nicht – let's just veröffentlich this whole thing". Ich habe bis dahin nur Musik für mich selbst gemacht, aber irgendwie war ich neugierig sie auch mal zu teilen und so entschloss ich mich dazu die 'Bathtub Thoughts' komplett fertigzumachen und sie einfach rauszuschicken und zu schauen, was passiert. Und von da an ging's irgendwie los mit der Musik und mir.

BG: Was sind für Dich seitdem die besonderen Herausforderungen als Newcomer-Act im aktuellen Musik-Game?

FvD: Also ich glaube ich 'leide', so wie wohl viele Kunstschaffende, auf jeden Fall an Selbstzweifel und dem Gefühl, Musikmachen eigentlich gar nicht so 'richtig' zu können. Diese Gefühle sind zeitweise stärker, mal sind sie aber auch schwächer. Ich glaube, dass der Einfluss von Social Media bei mir sich stark dazu beträgt, weil ich da theoretisch täglich sehen kann, wie andere Menschen scheinbar alles super gut hinbekommen. Und wenn ich dann auf mich selbst schaue, finde ich den Drive und das Durchhaltevermögen manchmal nicht so wie ich glaube, dass es nötig wäre. Mit dem Gefühl 'zu wenig' als andere zu machen und des 'Nichtskönnens' kämpfe ich auf jeden Fall. Als Newcomerin habe aber den Vorteil, dass ich niemanden etwas 'schuldig' bin. Niemand wartet darauf, dass ich irgendwas abliefere und das wiederum ist auch total schön. Ich kann aber ich 'muss' nicht. Nur was ich möchte, ist dann manchmal schwierig herauszufinden.

Musik zu machen, die meine Gefühle festhält, ist wie Zeit für mich nehmen. Mir diesen Raum zu geben, hat beim Heilen geholfen.

BG: Dein melancholischer Indietronics-Sound ist gerade im deutschen Queer-Bereich eher selten zu hören. Wer sind Deine Vorbilder? Oder anders gefragt: Wer berührt Dich musikalisch; wo fließen bei Dir Tränen?

FvD: Zur Zeit, in der ich die Songs aus 'feels 21/22' produziert habe, habe ich viel Fred again gehört. Vor allem 'Dermot (see yourself in my eyes)' und 'Julia (deep diving)' haben mich maximal tief berührt. Als ich die Songs zum ersten Mal gehört habe, bin ich fast umgefallen vor Tollheit. Ansonsten lieb ich Lizzy McAlpine und Lennon Stella ganz doll. Und natürlich irgendwie auch Fletcher – wobei Fletcher für mich keine klangliche Inspiration ist, da ist einfach nur der Fangirl-Moment da.

BG: Ich habe Dich sehr als ausgesprochen bescheiden kennengelernt. Aber Hand aufs Herz: Weiß man, dass man tolle Musik macht?

FvD: Auch hier ein Schmunzeln bei mir. Ich würde sagen, ich weiß, dass ich Musik mache, die mir gefällt. Was andere Menschen damit machen, liegt dann ja nicht mehr in meiner Hand. Aber ich hoffe, dass ich die ein oder andere Person erreichen kann mit Klang oder mit Text oder mit beidem.

BG: Ich bin jedenfalls Dein größter Fan – lange hat mich nichts mehr so begeistert. Da war es nur eine logische Konsequenz, Dich für die nächste 'Queer Music Night' am 15. November 2024 anzufragen (bis zum Festival 2025 wollte ich einfach nicht warten, hihi). Was erwartet uns live – und wie aufgeregt bist Du vor diesem neuen Schritt?

FvD: Ich freue mich ganz ganz ganz ganz ganz doll auf live und natürlich auf die 'Queer Music Night' in Leipzig. Ich bin dabei auch sehr aufgeregt. Lass es uns 'Vorfreudigen-Nervositätsaufregung' nennen. Ich werde erstmal versuchen, mit meinen Instrumentals und dem Darauf-Singen zu funktionieren. Ich bin total gespannt, wie das klappt und wie ich mich darin und auf der Bühne fühle. Ich hoffe, dass wir uns gemeinsam ein bisschen in die 'feels' fühlen und am Ende mit einer Leichtigkeit, die vielleicht vergleichbar mit einer Post-Weinen-Erschöpfungsruhe ist, den Abend ausklingen lassen können.

BG: Zusammengefasst: Bei Deinen neuen Songs geht es viel ums Loslassen und auch Befreien. Hast Du zum Schluss des Interviews einen Tipp für alle da draußen, die gerade mit Herzschmerz zu struggeln haben?

FvD: Das Problem am Loslassen ist, dass ich es allein machen und schaffen 'muss'. Genau wie Liebe zu anderen Menschen ist für mich auch Selbstliebe eine Entscheidung – und zwar die für mich. Da kann niemand helfen, diese Entscheidung zu treffen. Eigentlich ja auch ganz schön. Dennoch kann ich mich darauf verlassen, dass einige Dinge den Schmerz ein wenig abfedern und auffangen können. Mir helfen dabei Freund:innen. Mir hilft sprechen. Mir hilft fühlen. Mir hilft weinen. Mir hilft sauer sein und mir hilft der Gedanke, dass Zeit hilft. Dass Gefühle vergehen können, dass das alles ein Prozess ist, der zu Ende geht früher oder später und dass ich jetzt weiß, dass irgendwann die Kraft da ist loszulassen und mich für mich zu entscheiden. Vielleicht kann jede Person für sich hier die ein oder andere Parallele erkennen. Und wenn gar nichts hilft, kann ich nur sagen, es wird besser und du wirst nicht für immer so fühlen wie jetzt. Das kann ich (fast) versprechen.

  • Interview Zacker
  • Fotos Ella Knigge, Dingsfilm