Radikal ehrlich und schmerzhaft schön: Aidan Martin
Gefühlvoller Bouy-Pop aus dem Vereinigten Königreich spielt in meiner Familie eine ganz besondere Rolle. Wenn der eigene Ehemann nicht genug bekommen kann von Songs wie 'You Raise Me Up', 'Impossible' oder 'No Matter What' und wenn der Track 'Breathe Easy' fast schon heilig zu sein scheint, färbt das unvermeidlich ab. Diese glasklaren Stimmen, dieser herrliche Pathos, diese stets gut frisierten Beaus – irgendwie verstehe ich meinen Göttergatten ja.
Genau in diesem herzerwärmenden Fahrwasser präsentiert sich der britische, queere Sänger Aidan Martin. Sein Werdegang war jedoch alles andere als einfach – denn hinter jeder Fassade gibt es immer auch Struggle. Aus einer Kleinstadt kommend, stürzte er sich hemmungslos in die pulsierende Subkultur Londons. Plötzlich auf sich allein gestellt, gab er sich einem Leben voller Drogen und Exzess hin und ließ ihn das aufgeben, was er am meisten liebte – die Musik. "Mein Kopf war unter Wasser, bestimmt fünf Jahre lang. Ich hatte große Träume, aber keine Richtung" erzählt er.
Er mag in dieser Zeit die Musik im Stich gelassen haben – doch die Musik ließ ihn nicht im Stich. Im Gegenteil: Nachdem er lange mit Selbsthass und -akzeptanz zu kämpfen hatte und sich in einem destruktiven Strudel verlor, fand Aidan endlich Heilung in der Musik. Er beschloss, sich seiner Vergangenheit zu stellen und: „Songs über meine Erlebnisse zu schreiben. Das war der Moment, in dem sich alles für mich änderte."
'Good Things Take Time' handelt genau von diesen dunklen Stunden und dem Prozess des Heilens. Radikal ehrlich und emotional herzzerreißend, schmerzhaft schön und echt gefühlvoll – und da ist er wieder, dieser klassische UK-Pop-Charme. Das sanfte Piano, dieser Schmelz in der Stimme, das Aufgehen im Chorus, die große Geste. Ich verstehe ihn immer mehr – meinen Göttergatten.
In dem dazugehörigen Musikvideo erklimmt Aidan scheinbar nie endende Treppen, die seinem unermüdlichen Kampf im alltäglichen Leben repräsentieren. Auf dem Weg nach oben trifft er in verschiedenen Räumen auf sich selbst und seine Dämonen, bei dem jeder Raum einen eigenen Kampf repräsentiert – z.b. gegen die Sucht oder gegen sein negatives Selbstbild. Letztendlich sitzt Aidan auf einer Pyramide aus leeren Flaschen, eine Metapher dafür, dass er endlich seine inneren Dämonen bezwungen hat.
Ich hatte das Gefühl, nicht dazuzugehören. Heute sehe ich es als Stärke, doch damals hätte ich alles dafür gegeben, nicht anders als die anderen zu sein.
Nun, da es ihm endlich gut geht, möchte Aidan seine hart erarbeitete Fähigkeit zur Selbstfürsorge und Selbstliebe nutzen, um auch für andere Menschen etwas zu bewirken. „Ich wollte schon immer diese Art von Künstler sein“, sagt er. „Meine Songs sind eine Sammlung von Geschichten von jemandem, der 30 Jahre alt ist, einige harte Zeiten erlebt hat, aber gestärkt aus all dem hervorgegangen ist. Nun hoffe ich, anderen mit meiner Wahrheit eine Hilfe sein zu können.“ Ein Wunsch, der über seine Leidenschaft für Musik hinausgeht. Aidan nutzt seine wachsende Plattform für Belange, die ihm am Herzen liegen, darunter LGBTQ+-Rechte und die Bekämpfung von Rassismus und der Stigmatisierung HIV- und AIDS-Betroffener.
- Beitrag Zacker
- Fotos Mila Austin, Timo Kerber