Eine warme Decke in kalten Betonwänden: Unconscious Honey

2020 veröffentlichte Björn Trenker, alias Unconscious Honey, mit seinem Debütalbum 'Being A Stranger' eine Sammlung eindrucksvoller Synthpop-Songs mit markant-futuristischen Vocoder-Vocals. Co-Produzent und Ehemann Snax destillierte darin Trenkers Lebenserfahrungen zu wunderbaren Pop-Kreationen – zu "Eindrücken aus einem queeren Leben, die emotional jeder verstehen kann."

Am 16. Juli 2021 erscheint mit 'Loose Beginnings' nun der Nachfolger. Darauf wurden alle Songs des ersten Albums komplett neu aufgenommen bzw. neu interpretiert – von "einer eklektische Bande queerer Musiker*innen und Freunden, die alle einen Bezug zur offenen, diversen Hauptstadt Berlin haben", zum Beispiel Grume, Jon Campbel, Ed Astronaut, Dan Perry oder Steev Lemercier.

Das Ergebnis sind elektronisch-melancholische Songs, die durch die einzigartigen Persönlichkeiten der Gastsänger*innen völlig neue Emotionen und musikalische Texturen erhalten.

Drei tanzflächenfüllende Club-Remixe – unter anderem auch von Electrosexual – runden das Album ab. Zusätzlich erscheint 'Loose Beginnings' als reine Instrumental-Version exklusiv auf Bandcamp.

Der Track 'Exploited Devotion' feiert heute auf bouygerhl.com Premiere. Gastsänger auf diesem brillianten Stück ist Label-Kollege Mavin, ein in Berlin aufgewachsener Musiker und DJ mit afrikanisch-polnischen Wurzeln. Mavin war zudem früher Mitglied bei Manhooker.

Schwermütig-fragile Beats treffen auf eine soulig-gefühlvolle Stimme. Das nenne ich 'sophisticated Pop' wie er sein sollte: Wie eine warme Decke in kalten Betonwänden. Man möchte sich einkuscheln – vertraut, die Augen geschlossen, den Puls im Ohr.

Bouys & Gerhls – viel Spaß!

Freiheit, Eskapismus und Selbstverwirklichung

Anlässlich der Song-Premiere auf bouygerhl.com, hat Björn uns einige Interviewfragen beantwortet:

Bouygerhl: Leaving logic and reason! Als leidenschaftlicher Madonna-Nerd muss ich die erste Frage natürlich zu Deinem Namen stellen. Erzähl mir Deine 'Bedtime Story'.

Unconscious Honey: 'Bedtime Stories' war mein Coming-Out-Album. Das war also eine sehr prägende Zeit.

BG: Auf dem Album 'Loose Beginnings' versammelst Du – ich zitiere – "eine eklektische Bande" von befreundeten Musiker*innen, die Deine Songs völlig neu interpretieren. Wie schwer war es, die Kontrolle abzugeben.

UH: Ich habe die Kontrolle nicht abgegeben. Aber ich war offen für Vorschläge und das, was die Situation so hergab. Oftmals liegt der Zauber in den ungeplanten, unscheinbaren Momenten. So haben die Songs auch einen persönlichen Touch von den Sänger*innen bekommen.

BG: Alle Gastsänger*innen sind queer: Zufall oder bewusste Entscheidung? Welche Rolle spielt dieses klare Bekenntnis für Deine Arbeit?

UH: Es gab da keine Ausschlusskriterien. Das hat sich so ergeben. Ich fühlte mich bei den Aufnahmen in der Gesellschaft von Freunden und anderen queeren Künstler*innen einfach wohl und verstanden. Das war mein innerer Kompass. Der Aspekt der Sichtbarkeit und Repräsentation von ausschließlich LGBTQ-Künstlern wurde mir tatsächlich erst später bewusst.

Ich fühlte mich bei den Aufnahmen in der Gesellschaft von Freunden und anderen queeren Künstler*innen einfach wohl und verstanden.

BG: Dein Debütalbum, als auch die Neu-Interpretation, fangen den Geist der wilden Stadt Berlin ziemlich gut ein: Am Puls der Zeit, rau, talentiert und in gewisser Weise auch sexy. Was macht für Dich diese Stadt aus?

UH: Nach zwei Jahrzehnten in Berlin wird etwas von dieser Stadt auf mich abgefärbt haben bzw. würde ich mich in Berlin nicht so lange wohlfühlen, wenn da nicht auch etwas im Einklang wäre. Hierherzukommen hatte für mich auch immer etwas von Freiheit, Eskapismus und Selbstverwirklichung. Das krieg ich aus meinem Denken nicht weg und ist bestimmt auch in meinen Songs wiederzufinden.

BG: Apropos Berlin. Aktuell weht der gesellschaftliche Wind gefühlt auch hier wieder etwas schärfer. Übergriffe, Intoleranz und Dummheit rücken schleichend – aber deutlich – zurück ins Geschehen. Wie sind Deine Erfahrungen?

UH: Übergriffe habe ich selbst in letzter Zeit nicht erlebt. Aber ich bin schwul und ein gewisses Maß an Vorsicht ist aus gutem Grund immer da.

BG: Mit dem Remix von 'Casual Touch' durch Snecker (= Snax & nd_baumecker) umarmst Du die betonkalte Berliner Clubkultur. Nach all den Jahren: Was kann Dich im Nachtleben der Hauptstadt noch begeistern?

UH: Die Remixe sind der Teil des Albums, wo ich meine Kontrolle tatsächlich abgeben musste. Das fiel mir bei Snax leicht. Er und ND haben im Lockdown zusammen an ihrem abgefahrenen, trippigen Sound gearbeitet. Der Remix ist sozusagen eine Premiere – aber von den beiden wird es dieses Jahr auch noch mehr zu hören geben. Was das Nachtleben angeht. Es braucht tatsächlich nicht viel, um mich zu begeistern. Erst recht nach dem letzten Jahr.

BG: Snax hat das Album auch produziert, er ist Dein Partner und selbst seit vielen Jahren erfolgreicher Musiker. Hattest Du keine Angst vor einer Ehekrise? Sei ehrlich: Wie viele Tassen gingen zu Bruch?

UH: Erst eine Ausnahmesituation hat mich dazu inspiriert, Songs zu schreiben. Das war der Tod meiner Schwester. Davor haben mein Mann und ich diese Schwelle viele Jahre lang nicht übertreten. Ich denke, das hat uns nun geholfen, einander besser zu verstehen. Paul hat mich zuerst moralisch unterstützt, ohne zu wissen, woran ich genau arbeite. Und dann hat er Gefallen an den Songs gefunden und mich bei der Produktion unterstützt. Zu einer Ehekrise führte das alles nicht – aber zwischendurch Dampf ablassen, das musste schon mal sein.

BG: Dein Song 'Exploited Devotion' feiert heute auf bouygerhl.com Premiere. Es ist mein Lieblingstrack auf der Platte: Erzähl' uns doch etwas mehr über diesen großartigen Popsong und Gastsänger Mavin.

UH: Ein Song ist für mich dann fertig, wenn ich das Gefühl habe, dass ich etwas von mir preisgebe und trotzdem noch Raum bleibt für Interpretation. Dann habe ich aber auch nicht mehr das Gefühl darüber reden zu müssen. Mavin hat 2018 sein erstes Soloalbum 'Love' auf Random Records veröffentlicht. Die Platte wirkt wie ein Stimmungsaufheller auf mich. Sein Gesang erinnert mich an Madonna aus 'Physical Attraction' Zeiten. Er hat die Fähigkeit, sich sehr verspielt auf einem Song einzulassen.

BG: Das gesamte Album erscheint parallel auch als reine Instrumental-Version – exklusiv auf Bandcamp. Wieso dieser ungewöhnliche Schritt? Sind Vocoder- bzw. Real-Stimme – zumindest für mich – doch essenzieller Teil des Werks?

UH: Das ganze Projekt begann mit den Texten. Die haben die Melodien diktiert und dann kam eines zum anderen. Einmal fertiggestellt, hatte ich den Eindruck, dass die Sounds und Melodien auch für sich stehen konnten. Als hätten die Worte sich völlig darin aufgelöst.

BG: Dein Debütalbum erschien 2020, also mitten in der Corona-Zeit. Wirst Du – sobald wieder möglich – auch Live-Konzerte spielen oder gibt es sogar schon konkrete Pläne?

UH: Ich freue mich darauf, die Songs irgendwann auch live zu spielen und möchte dann auch die Gastsänger*innen irgendwie mit einbeziehen.

Zum Schluss unsere fünf BOUYGERHL-Quickies:

Die Musik welcher Künstler*in beeindruckt Dich ganz aktuell?
Amaarae, LSDXOXO, Shygirl

Celebrity Crush?
Nicolas Jaar

Wie sieht Dein perfekter Urlaub aus?
Unterwegs mit meinem Mann die Welt erforschen.

Guilty Pleasure?
Reese's Peanut Butter Cups

Brust glatt oder haarig?
Haarig

Das Album 'Loose Beginnings' erscheint am 16.07.2021 auf Random Records.

  • Interview Zacker
  • Fotos Peter Sebastian Sander, Mario Dzurila, Unconscious Honey