Tanzbar, melancholisch und euphorisch: Cassy Carrington

Nach jahrelanger Duo-Tätigkeit veröffentlicht die Sängerin und Drag-Queen Cassy Carrington ihr erstes Solo-Album. Auf 'Lichter in Neon' behandelt die Kölner Entertainerin dabei die universellen Themen Liebe, Freundschaft, Abschied, Nostalgie – und den Wunsch nach mehr Zusammenhalt.

Mit den Hamburger Produzenten Stefan Rebelski und Sebastian Treu fand Cassy hervorragende Partner, die für sie ein aufregendes musikalisches Spektrum entwarfen – einen Sound irgendwo zwischen Deutsch-Pop, Latin, Elektro und Rock.

Ihre aktuelle Single – gleichzeitig Titeltrack der Platte – ist ein knallbuntes Stück 80er-Jahre-Pop. Tanzbar, melancholisch, euphorisch: Cassy besingt darin die Zeit ihrer ausschweifenden Club-Nächte mit ihrer besten Freundin. Ein nostalgischer Ritt in die Vergangenheit, der in Zeiten von Stranger Things und The Weeknd nicht aktueller klingen könnte.

Anlässlich der Veröffentlichung ihres neuen Albums hat uns Cassy Carrington ein paar Interviewfragen beantwortet.

Interview mit Cassy Carrington

Bouygerhl: 'Lichter in Neon' ist dein erstes Soloalbum. Wie fühlt sich dieser 'Alleingang' an?

Cassy Carrington: Der Alleingang ist beängstigend und befreiend zugleich. Zum einen bin ich jetzt wirklich für alles verantwortlich und muss alleine da durch, wenn mal etwas schiefläuft. Andererseits bedeutet der Alleingang auch ultimative kreative Freiheit und kompromissloser Ausdruck.

BG: Wobei du sicherlich eine Menge Unterstützung hattest. Denn so wirklich ganz alleine funktioniert eine Album-Produktion ja dann auch nicht?

CC: Richtig – unterstützt haben mich dabei zwei ganz fantastische Songwriter und Produzenten aus Hamburg. Stefan Rebelski und Sebastian Treu haben mir quasi all meine Wünsche von den Augen abgelesen und hätten mit mir die Songs nicht besser schreiben und produzieren können. Es flutschte zwischen uns einfach nur so. Ein paar weitere tolle Studiomusiker*innen und Backgroundsänger*innen kamen auch dazu.

Mir war wichtig, den Songs Raum zu geben, zu experimentieren und mir keine Grenzen aufzuerlegen.

BG: Der Sound auf deinem Album ist ein unerschrockener Mix aus Pop, Latin, Disco, Rock und Schlager. Und auch dein Chanson-Herz bricht immer wieder durch. Konntest oder wolltest du dich nicht entscheiden?

CC: Ich wollte auf meinem ersten Soloalbum ganz klar mich selbst in keine Schublade packen. Mir war gerade nach den schwierigen letzten Jahren total wichtig, den Songs und Ideen Raum zu geben, zu experimentieren, mir keine Grenzen aufzuerlegen und das tat so gut und hat so viel Spaß gemacht. Alle diese Einflüsse repräsentieren mich, denn ich selbst liebe auch Musik aus den unterschiedlichsten Genres – und ja, das Chanson, von dem ich ja komme, durfte auch nicht komplett fehlen.

BG: Was treibt dich als Künstlerin an? Woher nimmst du die Inspiration für deine Musik und Texte?

CC: Eine gute Frage, die nicht einfach zu beantworten ist. Kreativität ist seit meiner Kindheit ein täglicher Bestandteil von mir gewesen, vielleicht auch gerade weil, ich mich immer irgendwie 'anders' gefühlt habe. Ob Zeichnungen, Malereien, Schauspiel oder Handarbeit – ich wollte mich immer in allem ausprobieren und bin am Ende bei der Musik hängen geblieben, vielleicht auch weil sie die universellste Sprache der Kreativität ist. Meine Texte kommen mir tatsächlich wie spontane Eingaben oft zugeflogen. Man könnte sagen 'von der Muse immer mal wieder geküsst', was ja auch ein schöner Gedanke ist. Ich bin unglaublich dankbar dafür, dass mir diese Möglichkeiten in die Wiege gelegt wurden.

BG: Gibt es einen Track, der dir besonders wichtig ist? Oder ist das wie die unmögliche Frage nach dem Lieblingskind?

CC: Die Frage ist bei diesem Album tatsächlich einfach zu beantworten. 'Tattoo' ist der wichtigste Song der Platte, gerade weil er so persönlich ist und einem verstorbenen Freund gewidmet ist. An dem Text habe ich über ein Jahr lang immer wieder gefeilt und mit Stefan Rebelski den Song fertig geschrieben. Und ich glaube fast, dass ich damit meinen besten Song geschrieben habe.

BG: Du gehst mit dem Album auch auf Tour. Was erwartet uns hier? Gehen die Grüße eher raus an Discokugel Helene Fischer oder an Diva Marlene Dietrich?

CC: In der Show begrüße ich beide – mein Herz schreit nämlich nicht nur Disco, sondern auch Melancholie und alle Emotionen dazwischen. Das wird diese Show zeigen, in der ich erstmals mit tollen Projektionen arbeite. Sie wird ein emotionaler und lustiger Ritt, ein bisschen wie das wirkliche Leben selbst, mit allen Höhen und Tiefen. Natürlich darf meine manchmal zu ausschweifende Publikumsinteraktion nicht fehlen.

BG: Neben Deiner Musik engagiert Du Dich auch stark gesellschaftlich. Erzähl' uns mehr darüber.

CC: Besonders wichtig ist mir gerade da die Arbeit mit Jugendlichen. Ich besuche regelmäßig Schulklassen und Jugendgruppen und spreche über Diversität und Vielfalt. Dabei fällt mir immer wieder auf, wie wichtig das Gespräch und der Austausch ist. Viele, die bisher mit queeren Menschen keine Berührungspunkte hatten, hören dort erstmals eine persönliche Geschichte und erleben Identifikation. Nur so entsteht Toleranz und Akzeptanz.

BG: Die Adresse deiner Webseite heißt ja alleliebencassy.de – da bin ich dabei! Dir viel Erfolg mit der Platte und nur das Beste!

  • Interview Zacker
  • Fotos Arthur Pluta